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LU CHENG
ANNA GREBNER
SAMANTHA WAIDEN
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31.01.2025 - 07.03.2025

In einer Gegenwart, in der der Körper zum Austragungsort gesellschaftlicher Werte, Normen und Konflikte geworden ist, richten die Arbeiten der Künstlerinnen Lu Cheng, Anna Grebner und Samantha Waiden den Fokus auf die ideologisch befreite und teils spirituell aufgeladene Sinnlichkeit der eigenen Körpererfahrung. Im Mittelpunkt steht dabei das Verhältnis von Raum und Körper als existenziell geprägte Selbstverortung, die Verletzlichkeit des eigenen Körpers als Teil komplexer Ökosysteme und die Körperlichkeit als Ausdruck einer universalen Koexistenz aller Lebensformen.  

 

Lu Cheng: Körper, Raum und Morphogenese

Die Frage der Körperlichkeit, das Verhältnis von Körper und Raum wird in den filigranen Plastiken und Installationen der chinesischen Künstlerin Lu Cheng in besonderer Weise greifbar. Aus hunderten Einzelkörpern in Form keramischer Kegel entwächst die organisch anmutende In-Situ-Installation Expansion (2025) scheinbar der Architektur, sprießt aus der Ecke und dem Boden wie ein Organismus, der sich einen „Lost Place“ zurückerobert. So zerbrechlich die Einzelkörper wirken, so stark ist die Wirkung in der Gesamtheit aller Körper: Dynamisch scheint sich der „Organismus“ in den Raum der Betrachtenden zu arbeiten und damit die visuelle Erschließung des Ausstellungsraums und der Objekte maßgeblich zu beeinflussen. 

Wer das korallenartige Objekt Fluid (2025) näher betrachten will, muss auf jeden Schritt achten, den Raum vor und hinter sich bei der Betrachtung mitdenken, da er sonst Gefahr läuft, etwas zu zerstören. Die Lebendigkeit von Körpern und wie sie sich in Relation zu ihrer unmittelbaren Umwelt verändern, ist ein zentraler Aspekt in Chengs künstlerischer Praxis. Ihre biomorphen Installationen und Skulpturen untersuchen die Dynamik und Wachstumsprozesse von Körpern. Dabei geht es nicht um eine naturgetreue Nachbildung organischer Formen, sondern um naturartige Objekte, die einem intensiven schöpferischen Prozess entwachsen. So entstehen physische Entitäten, denen der Charakter des Körperlichen anhaftet und die unsere Koexistenz zur „natürlichen Natur“ hinterfragen.  

 

Anna Grebner:  Körperliche Sinnlichkeit zwischen Ökonomie und Ökologie

Anna Grebner hingegen schafft mit ihrer zentralen Werkgruppe 100times you & I running down the sink (2023/24) ein Spannungsfeld zwischen der körperlich erfahrbaren Sinnlichkeit farblicher Materie und dem kühlen Rationalismus einer kapitalistisch getriebenen Gesellschaft. Wie der Titel andeutet, umfasst die Werkgruppe 100 monotypische Holzschnitte auf japanischem Zeitungspapier, die Grebner während ihres Forschungsaufenthalts an der Okinawa Prefectural University of Arts schuf. Inspiriert von der japanischen Kunst, insbesondere der Gattung des Ukiyo-e (japanisch für Bilder der fließenden Welt), reflektiert sie die Ästhetik dieser traditionsreichen Kunstform, die vom 17. bis 19. Jahrhundert ihre Blüte erlangte und durch Farbholzschnitt (nishiki-e), klare Linien und kompositorische Offenheit geprägt ist. Ukiyo-e thematisierte vor allem das facettenreiche Alltagsleben in den Städten sowie die Vergänglichkeit des Lebens.  Grebner knüpft kritisch daran an, indem sie versucht, die verfestigten Sehgewohnheiten einer urbanen Gesellschaft zu durchbrechen, um ein neues Naturverhältnis zu entwickeln.  So kombiniert sie in 100times you & I running down the sink die naturnahe Motivik des Holzschnitts bzw. der Holzmaserungen mit einer gesellschaftskritischen Setzung, indem sie die Holzschnitte auf Seiten aus dem  Aktienteil japanischer Zeitungen druckt. Die Verwendung von Indigo, gewonnen aus einem nachhaltigen Produktionsprozess, reflektiert dabei ihre Wertschätzung für natürliche, traditionelle Techniken und macht die Farbe zum symbolischen Anker ihres Werks. Sie lenkt damit die Aufmerksamkeit auf die ökologischen Fragen unserer Zeit, hinterfragt die kapitalistische, konsumorientierte Gesellschaftsordnung und rückt – gleichsam als Vanitassymbol – die damit einhergehenden selbstzerstörerischen Aspekte in den Fokus.  

 

Samantha Waiden: Körperlichkeit als Spur und Geste  

Samantha Waiden bringt in ihren abstrakten Arbeiten das Körperliche auf zwei Ebenen zur Darstellung: zum einen durch das physisch-körperhafte Material in seiner sinnlichen Konkretion, zum anderen in der leiblichen Erfahrung der Künstlerin, die zum integralen Bestandteil des Kunstwerks selbst avanciert. In der 92-teiligen konzeptuellen Arbeit Untitled (30.10.22–29.01.23)(2022), die sie seinerzeit für ein Ausstellungsprojekt im Museum Kurhaus Kleve entwickelte, setzt sich Waiden mit den Phänomenen Zeit, Raum und Körperlichkeit auseinander. Die Arbeit basiert auf einer von ihr erstellten Matrix mit den Kategorien Tag, Monat und Jahr, die mit Hilfe der Siebdrucktechnik auf 92 Blätter übertragen wird. Anschließend zieht sie mit der Hand eine Linie, die das Datum der Ausstellung mit einem weiteren Datum innerhalb der Laufzeit der Ausstellung verbindet. Dieses Verfahren wendet sie bei allen 92 Blättern an. So ist auf jedem Blatt eine violinschlüsselartige Schlaufe zu finden, die sich im Laufe der festgehaltenen Zeitfenster teils verändert, teils aber auch redundant bleibt. Die Linie drückt hier eine dynamische körperliche Geste aus und verweist auf etwas, das über ihre ästhetische Qualität hinausgeht: die körperliche Erfahrung der Künstlerin im zeichnerischen Akt. Waiden beschäftigt sich in ihrer Praxis wesentlich mit den Wechselwirkungen von Zeichnung und Körper, Material und Prozess, Bild und Objekt, die im Prozess der Betrachtung aufgehen.

 

Lu Cheng (*1996, Shanghai, China) studierte ab 2017 Freie Kunst an der Akademie der Bildenden Künste München, zunächst in der Klasse von Prof. Dieter Rehm und ab 2018 bei Prof. Peter Kogler. Zuvor absolvierte sie von 2014 bis 2016 ein Bachelorstudium in Industriedesign an der China Academy of Art in Shanghai. Ihr Diplom erhielt sie in diesem Frühjahr an der Akademie der Bildenden Künste München.

 

Anna Grebner (*1990, Sinalunga, Italien) studierte von 2009 bis 2013 an der Akademie für Mode und Design in München. Nach ihrer Tätigkeit als Designerin für Y-3 adidas x Yohji Yamamoto (2014–2018) wechselte sie 2019 an die Akademie der Bildenden Künste München, wo sie zunächst in der Klasse von Prof. Karin Kneffel studierte. 2023 führte sie ihr Studium an der Okinawa Prefectural University of Arts mit dem Schwerpunkt Japanische Malerei fort und schloss es 2025 in der Klasse von Thomas Eggerer mit dem Diplom ab.

 

Samantha Waiden (*2001, Lindau) absolvierte 2020 ihr Abitur und begann im selben Jahr ihr Studium der Freien Kunst bei Prof. Pia Fries. Seit 2023 setzt sie ihr Studium in der Klasse von Prof. Florian Pumhösl fort.

Ausstellung

30. Januar 2025 - 07. März 2025

Türkenstr. 32, 80333 München

© 2025 by HELDENREIZER Contemporary GmbH, München . Impressum

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