LUISA BALDHUBER
MICHAEL HIRSCHBICHLER
JOHANNA STROBEL
THE MOON IS NO DOOR
04.04.2025 - 03.05.2025
Die Gruppenausstellung The Moon Is No Door versammelt drei künstlerische Positionen, die sich auf markante Weise mit Raum, Wahrnehmung und Bedeutung auseinandersetzen. Ausgangspunkt ist ein Zitat aus Sylvia Plaths Gedicht The Moon and the Yew Tree (1961), in dem sich innere Denklandschaften mit kosmischen Räumen verweben. Farbe und Licht werden darin zu Mitteln, mentale und äußere Dimensionen von Raum erfahrbar zu machen. Der Ausstellungstitel spielt mit dieser poetischen Dissonanz: Der Mond ist keine Tür – doch gerade durch diese buchstäbliche Unmöglichkeit öffnet sich ein Denkraum zwischen Innen und Außen, Materiellem und Imaginärem, zwischen Bedeutung und Ambivalenz. Subjektivität zeigt sich hier nicht nur als raumbezogene Existenzweise, sondern lässt erkennen, dass nicht der Mensch den Raum hervorbringt, sondern der Raum den Menschen formt.
Spiegelräume und transzendentale Raumerfahrungen
Luisa Baldhubers surreale, mitunter schwebend wirkende Bildwelten entspringen einem Spannungsfeld aus digitaler Bildproduktion, Smartphone-Fotografie und Internetästhetik. Es entstehen fragmentierte, architektonisch anmutende Landschaften, die sich jeder klaren räumlichen Verortung entziehen und stattdessen imaginäre Weiten eröffnen. Eine zentrale Rolle spielt dabei Farbeffektglas, dessen polychrome, spiegelnde Oberfläche je nach Lichteinfall ihre Farbe verändert. Fiktive Bildräume und realer Ausstellungsraum überlagern sich, erzeugen ein Objekt, das sich mit jeder Bewegung des Betrachtenden verändert und sich dem eindeutigen Blick entzieht. Die Glasflächen wirken wie durchlässige Membranen – visuelle Schwellen zu einer transzendenten Welt. Sie öffnen den Blick auf eine zweite, poetisch aufgeladene Realität, in der sich das Reale und das Imaginäre durchdringen, in der sich der Blick vervielfacht und in einer schwebenden Präsenz verliert. Trotz der scheinbar entrückten Ästhetik bleiben Baldhubers Arbeiten mit der realen Welt verknüpft. Sie betitelt ihre Werke mit geografischen Koordinaten – wie etwa 44°29'02.1"N 161°08'19.6"W (2024) – und verweist damit auf konkrete Orte. Diese scheinbare Lokalisierung steht im Kontrast zur eigentlichen Bildlichkeit, verleiht den Werken jedoch eine stille Verankerung im Globalen und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Spannung zwischen virtueller Konstruktion und physischer Welt.
Anatomie räumlicher und semantischer Verflechtungen
Johanna Strobels neue, raumgreifende Skulpturen entstehen aus ihrer fortlaufenden Auseinandersetzung mit keramischen Materialien, architektonischen Strukturen und semantisch aufgeladenen Formen. Die von der Decke hängenden Werke bestehen aus miteinander verschlungenen, unglasierten Keramikbändern, die an anatomische Strukturen erinnern – Rippenkäfige, Torsi, Becken. Im Zentrum vieler dieser Konstruktionen befinden sich glänzende, dunkle Kugeln – zugleich Mond, Apfel, Herz oder Gebärmutter. Diese hybriden Formen oszillieren zwischen Körper und Objekt, Symbol und Substanz. Strobel bezieht sich in ihrer Praxis auf Konzepte wie Veränderung, Entropie, Konnektivität und Information. Ihre Werke verweben Referenzen aus unterschiedlichen Epochen, kulturellen Kontexten und theoretischen Feldern und befassen sich mit Zuschreibung und Aufhebung von Bedeutung, mit Konstruktionen von Subjektivität und Objekthaftigkeit – und deren Einschreibung in den Alltag. Der Knoten – zentrales Motiv der Werkserie – wird zum bildhauerischen und konzeptuellen Prinzip: ein Vorgang, der lineare Bewegung in räumliche Struktur überführt. Die verwendeten Materialien – Keramik, Baumwolle, Aluminium – erzeugen Trompe-l’œil-Effekte, die das Verhältnis von Weichheit und Härte, Dekoration und Funktion hinterfragen. So entstehen komplexe Objektsysteme, die als Denkfiguren operieren – fragile Gleichgewichte zwischen Ordnung und Chaos, Präsenz und Abwesenheit, Sichtbarkeit und Bedeutung.
Architekturen des Imaginären und materielle Mythologien
Michael Hirschbichler arbeitet an der Schnittstelle von Kunst, Architektur und Anthropologie. In seinen Projekten untersucht er die Wechselwirkungen zwischen gebautem Raum, landschaftlicher Beschaffenheit und den ideologischen, politischen sowie kulturellen Kräften, die diese Umwelten prägen. Die in der Ausstellung gezeigten Werke stehen im Kontext seines Langzeitprojekts Theatrum Orbis Terrarum, benannt nach dem ersten modernen Weltatlas von Abraham Ortelius (1527–1598). Darin verbindet Hirschbichler klassische Mittel architektonischer Darstellung wie Grundriss, Modell oder Perspektive mit spekulativen, bisweilen dystopischen Transformationen. Durch Spiegelung, Überlagerung, Maßstabverschiebung und Wiederholung entstehen kartografische Phantasmagorien – Orte zwischen Realität und Fiktion. Monumente, Kathedralen, Gefängnisse, Bunker, Infrastrukturbauten oder Einkaufszentren überlagern sich zu raumgreifenden Verdichtungen, in denen sich Utopie und Kontrollarchitektur kaum mehr voneinander trennen lassen. Dabei entfaltet sich in Hirschbichlers Arbeiten eine zweite, mythologische Dimension des Raums. Seine Zeichnungen, Malereien, Skulpturen, Texte und Installationen begreift er als aktive Transformationsmedien – als Orte, an denen ideologische Gespenster, verdrängte Narrative, kollektive Hoffnungen und Ängste sichtbar werden. Der Künstler entwirft einen komplexen Zeichenkosmos, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinandergreifen und die Grenze zwischen Realität und Imagination zunehmend verschwimmt. Es geht ihm dabei weniger um eine rationale Entschlüsselung der Welt als um deren poetische und visuelle Rekonstruktion – als fragmentierte, materielle Mythologie der Gegenwart.
In ihrer formensprachlichen Vielfalt verhandeln die drei Positionen die zentralen Fragen der Ausstellung: den Raum als Möglichkeitsraum, als Denkfigur, als Körper. The Moon Is No Door öffnet nicht nur metaphorische Schwellenräume zwischen Innen und Außen, sondern entwirft ein poetisches Koordinatensystem aus Material, Licht, Struktur und Imagination.
Ausstellung
04. April 2025 - 03. Mai 2025
Türkenstr. 32, 80333 München