TIBOR POGONYI
STATIK DES AUGENBLICKS
23.10. - 26.11.2020
Entlang der Grenze zwischen schöner Selbstvergessenheit und Entfremdung entwickelt Tibor Pogonyi seine naturalistischen Gemälde. Sein Interesse gilt dabei der immerwährenden Frage nach unserem Verhältnis zum eigenen Selbst, zu unseren Mitmenschen und zur Natur. Die Widersprüchlichkeiten, die Dissonanzen und die Ratlosigkeit, die unsere Suche nach Antworten zwangsläufig begleiten, fängt Tibor in seinen Gemälden ein. Seine präzise durchkomponierten Szenerien erscheinen uns wie dem Fluss der Zeit enthobene Momentaufnahmen – vertraut und rätselhaft zugleich. Und doch tragen sie in Form des allgegenwärtigen Non-finito Spuren des Ephemeren und des Sich-Verflüchtigenden in sich.
Werke wie Mauer (2020) sind für Pogonyis provozierte Rätselhaftigkeit und komplexes Spiel mit der Zeitlichkeit geradezu beispielhaft. So entpuppt sich die scheinbar banale „Szene“ in Mauer bei genauerer Betrachtung als Vanitas. Der Jugend der in sich versunkenen, männlichen Gestalt im Zentrum steht das Alter des auf dem Mauersims sitzenden Mannes gegenüber. Andächtig, nahezu pathetisch legt dieser dem jungen Mann die Hand auf die Schulter, als symbolhafte Verbindung von Jugend und Alter. Auch Vorder- und Hintergrund bilden im Hinblick auf die Vergänglichkeit einen Kontrast. Ist der Hintergrund durch einen in voller Blüte stehenden Strauch bestimmt, zeichnen sich im Vordergrund die Schatten herbstlicher, zum Großteil bereits blätterloser Äste ab. Rätselhaft bleiben die gänzlich verhüllten, geheimnisvollen Gestalten, die den alten Mann auf dem Gesims flankieren. Pogonyi spiegelt durch die Figur in der blauen Draperie die „Handauflegung“, lässt jedoch den Betrachter über das „Verhältnis“ der verhüllten Gestalt zu den anderen Figuren im Unklaren.
Einen Gegenpol zu den symbolhaft aufgeladenen Arbeiten bildet in der Ausstellung die Arbeit Köpfe VI (2020) -eine unmittelbare Konfrontation mit der menschlichen Tragödie, die sich derzeit vor den Augen der Welt durch die zahlreichen in die Flucht getriebenen Menschen ereignet. Angst, Verzweiflung, Anklage, aber auch Hoffnung, Stolz und Würde spricht aus den Gesichtern der in diesem Gemälde Porträtierten. Durch das ungewöhnliche Format gelingt Pogonyi eine atmosphärische wie auch psychologische Verdichtung. Im Gegensatz zu den Pressefotos der flüchtenden Menschen, die uns leicht den Abstand wahren lassen, kommt der Betrachter den Dargestellten hier extrem nahe. Die Geschichte jeder einzelnen Figur in diesem Bild scheint dem Betrachter gewahr zu werden. Dies gelingt Tibor mitunter durch kompositorische Anordnung, die mit der in der Bildmitte arrangierten, den Betrachter direkt anblickenden Figur unterschwellig an eine Abendmahl-Darstellung erinnert.
Tibor Pogonyi (*1974 in Eger) studierte Malerei bei Prof. Fridhelm Klein und Prof. Anke Doberauer an der Akademie der Bildenden Künste München. Der Mensch als vermeintliche Krone der Schöpfung bildet ein immer wiederkehrendes Thema in sein Œuvre. Pogoynis Arbeiten werden in Europa und Asien ausgestellt und finden sich auch in institutionellen Sammlungen wie dem Diözesanmuseum Freising.
Ausstellung
23. Oktober - 26. November 2020
Türkenstr. 32, 80333 München