top of page

MINJAE LEE
LAMPEN-FIEBER

21.04. 2023 - 29.04.2023

Lampen-Fieber-grau.jpg

Ausdauernd stellt sich Minjae Lee in seinen Performances verschiedenen Momenten von Angst. Dafür verarbeitet der gebürtige Koreaner seine Gefühlswelt zu raumgreifenden Environments und Installationen. Aus dem menschlichen Innenleben wird dabei ein architektonischer Innenraum, der gleichzeitig den visuellen Nährboden für Lees Performances bietet. Sowohl Lee selbst, als auch das Publikum sind aufgefordert, sich auf die Angstsituation einzulassen und sich ihr zu stellen. So versandte Minjae Lee einmal die konkrete „Einladung zur Angst“ für seine Performance Herzlich willkommen in der Angsthalle (2019).       

 

Nachdem die Lichtsituation in Lees Werken immer wieder als maßgeblicher Stimmungsträger agiert, gewinnt sie in Lampenfieber nun die zentrale Bedeutung – figurativ und buchstäblich. Minjae Lees Interesse gilt dabei nicht nur dem Prozess des Lampenfiebers in der Psyche, sondern auch seiner Semantik: „Was mich an dem deutschen Wort Lampenfieber interessiert ist, dass es sich aus zwei Wörtern zusammensetzt: Licht und Hitze. Tatsächlich hat dieses Wort als Fremdsprache für mich keine Konnotation von Angst oder Unruhe (im Vergleich zum englischen Begriff stage fright).“ 

 

Unter dem hellen Schein von surrenden Lampen sollen sich die Performer*innen in die emotionale Lage vor einem Bühnenauftritt versetzen, kurz bevor der schwere Vorhang sich öffnet. Dabei sollen alle möglichen Lampenfieber-Situationen erinnert werden, bis zurück in die Kindheit. Als architektonische Grenze setzt Lee hier transparente Vorhänge ein. Sie befinden sich jeweils unter einer Lampe an der Decke, die Performer*innen zylindrisch umschließend. Gesteigert durch die Blicke des Publikums avanciert Lampenfieber so zum immersiven Übungsraum für einen menschlichen Urinstinkt.

 

Mit der Materialwahl der durchsichtigen Vorhänge blicken Publikum und Performer*innen gleichzeitig in die persönliche Sphäre ihres Gegenübers. Anstelle eines Sichtschutzes und der deutlichen visuellen Abgrenzung der Performenden vom Publikum entsteht eine sanfte, beidseitig einsehbare Raumgrenze. Die Performer*innen befinden sich damit in der paradoxen Situation (un-)sichtbarer Trennung. Im ausgeleuchteten Separee, einem Widerspruch in sich, verdichtet sich der knappe Zwischenraum hinter den Vorhängen langsam mit anschwellendem Lampenfieber. Die Anspannung erwächst zur unsichtbaren Materie.

 

Minjae Lees Performances zeichnen sich vor allem durch die Unermüdlichkeit und Intensität aus, mit der sich Künstler und Performer*innen an einer spezifischen Angstsituation abarbeiten. Wie Lampenfieber eindrücklich darstellt, zeugen Lees Performances dabei weniger von großen Schockmomenten als von der Mühsamkeit eines laufenden Konfrontations- und Verarbeitungsprozesses. Es geht um die Angst als pulsierende, oft lähmende, kontinuierliche Schleifenbewegung. Gemeinsam mit dem Künstler betreten wir dieses Spannungsfeld voller Licht- und Soundeffekte – ein Wechselbad der Entfremdung und Intimität. 

 

Die emotionalen, die realen, Gesten und Handlungen von Lampenfieber finden sich gewöhnlich nicht im Manuskript. Sie sind nicht Teil eines Stücks oder einer Partitur. Stattdessen gehören sie zur Erzählung auf der anderen Seite des Vorhangs, sie sind ihr emotionaler Paratext. 

MINJAE LEE – LAMPEN-FIEBER

21. April 2023 – 29. April 2023
bottom of page