KRIŠTOF KINTERA
WELCOME TO NEUROPOLIS
11.09. - 15.10.2020
Das, was wir gemeinhin nicht sehen, wahrnehmen oder unbewusst ausblenden, wenn wir uns durch Gebäude, Städte oder Kulturlandschaften bewegen, thematisiert der tschechische Künstler Krištof Kintera in der Ausstellung „Welcome to NEUROPOLIS“. Der Begriff „NEUROPOLIS“ – zusammengesetzt aus den griechischen Wörtern für Nerv, νεῦρον[Neuro], und Stadt, πόλις [Polis] – betitelt dabei seine neueste Werkgruppe, die in dieser Ausstellung zum ersten Mal zu sehen ist. Es sind detailreiche, architektonisch anmutende Assemblagen aus eben den ausgedienten Materialien, die einst Teil jener unsichtbaren, „subkutanen“ Infrastruktur waren, die uns wie ein neuronales Netz fortwährend umgibt und unser zivilisatorisches Dasein und Miteinander tagtäglich bedingt. Als ausgemusterte, weggeworfene oder verschrottete Objekte für das System obsolet geworden, schenkt Kintera ihnen „postobsoleszent" eine neue Präsenz – paradoxerweise in Form einer Miniatur-Polis. Es ist ein raffinierter Akt der Umkehrung, bei dem Kintera mit viel Humor sowie großer Liebe zum Detail und Material das bisher Unsichtbare und Unbeachtete selbst zur „Architektur“ erhebt und damit zeitgleich den Blick auf die dahinterliegende ökologische Frage richtet.
Kontrastiert werden die NEUROPOLIS-Arbeiten von Kinteras mittlerweile ikonischen DRAWINGS sowie Skulpturen aus seiner jüngsten Schaffensphase. Metaphorisch aufgeladen, mit pointierten Übertreibungen und schwarzem Humor angereichert, reflektiert Kintera darin die brennenden politischen, sozialen und ökologische Fragen unserer Zeit - wie etwa in der Skulptur Astra Apocalyptica (2020), einem „endzeitlichen Pflanzengewächs“ aus ausrangierten elektronischen Komponenten und Baustoffen, die uns in ihrer faszinierenden Schönheit daran erinnert, dass wir trotz unseres technologischen Fortschritts und unserer evolutiven Überlegenheit immer Teil der natürlichen Welt sind, deren Zerstörung wir – durch ökonomische Interessen getrieben – immer weiter vorantreiben.
In seinen oft hochdynamischen, durch Spontanität geprägten DRAWINGS greift Krištof Kintera neben den gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit auch die Frage nach den tradierten Gattungsgrenzen in der Kunst auf bzw. stellt diese zur Disposition. Wer darin nach den klassischen Merkmalen der Zeichnung sucht, wird vermutlich verzweifeln: Kein Papier, keine Bleistiftstriche, keine Tinte, stattdessen dreidimensionale Objekte und diverse Materialien reliefartig auf eine Sperrholzplatte montiert. Eindrucksvoll ist die Dynamik, die diese Werke entfalten - häufig hervorgerufen durch Materialien wie adhoc erstarrtem, ehemals flüssigem Schaumstoff, dessen Drippings und Spritzspuren auf den Schaffensprozess verweisen. Für Kintera ist es auch dieser Schaffensprozess, der ihr Dasein als Zeichnung begründet: „It’s true that most people don’t believe me when I say that these works are drawings. They see their physical elements and think of them more as collages or reliefs. But to me they are drawings because of the way I make them. They are spontaneous and quick. Arranging the objects is like the process of drawing. I have never considered them as anything other than drawings.”
Krištof Kintera (*1973 in Prag) zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern. Sein Œuvre umfasst Skulpturen, Assemblagen und Installationen, in denen er sich dezidiert und oft humorvoll mit aktuellen Themen der Gegenwart auseinandersetzt. Zwischen vorgetäuschter Trivialität und Fatalität changierend, beinhalten seine Arbeiten eine lebhafte Kritik an hyperkapitalistischen Systemen sowie den daraus resultierenden ökologischen Fragen. Kinteras Arbeiten sind in den wichtigsten Sammlungen zu finden und wurden weltweit ausgestellt, unter anderem in der Galleria Nazionale in Rom, im National Museum of Modern Art in Tokyo, im Museum Tinguely in Basel, im Haus der Kunst München sowie in Galerien und Museen in New York, Sydney, Prag und Berlin.
Ausstellung
11. September - 15. Oktober 2020
Türkenstr. 32, 80333 München